“Auch mit Juden können wir im strengen Sinne nicht beten”
Das unterschiedliche Gottesbild ist ein bleibendes Hindernis
– Aber die Beziehungen zu den “älteren Brüdern im Glauben” sind verlässlicher geworden – Fragen an den Sekretär der vatikanischen Kommission für das Judentum zum heutigen Gebetstreffen in Assisi
Wenn es um den Dialog der Religionen geht, dann steht für die katholische Kirche das Gespräch mit den Juden ganz oben auf der Prioritätenliste. Im Vatikan kümmert sich die Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum darum, die beim Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen angesiedelt ist. Sekretär dieser Kommission ist Pater Norbert Hofmann von den Salesianern Don Boscos. Mit Blick auf das heutige Friedenstreffen in Assisi hat Pater Hofmann den aktuellen Stand der Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und den Juden zusammengefasst.
Die Fragen stellte Guido Horst.
Wer kommt ausser dem römischen Oberrabbiner Di Segni aus der jüdischen Welt heute nach Assisi?In Assisi werden wir eine Delegation von acht Juden haben, zwei aus Europa – einen aus Brüssel und eben den römischen Oberrabbiner Riccardo Di Segni –, dann einen Rabbiner aus Israel. Und wir werden fünf Juden aus den Vereinigten Staaten dabei haben. Sie vertreten grose jüdische Organisationen wie den World Jewish Congress, B’nai B’rith International oder die Anti-Defamation League. Das ist eine etwas USA-lastige Gruppe, aber man muss wissen, dass ein Grossteil der Juden, etwa 5, 5 Millionen, in den Vereinigten Staaten lebt.
Wie überzeugt man Juden, dass es wichtig ist, wenn sich die Religionen versammeln, um ein Zeichen für den Frieden in der Welt zu setzen?
Da muss man eigentlich kaum Überzeugungsarbeit leisten. Wenn es um den Frieden in der Welt geht, dann ist das ein Anliegen für Juden und Christen gleichermassen. Darum habe ich für das Assisi-Treffen auch keine Überzeugungsarbeit leisten müssen. Es waren wirklich Leute bereit, zu kommen und so ein Zeichen für den Frieden in der Welt zu setzen.
Es wird in Assisi nicht geschehen: Aber könnten theoretisch Christen und Juden gemeinsam beten? Etwa Psalmen des Alten Testaments?
Man sagt immer, Juden, Muslime und Christen hätten den gleichen Gott. Das stimmt und stimmt nicht. Denn es besteht ein anderes Gottesbild, was Juden und Christen betrifft. Wir beten zu Gott dem Vater durch Jesus Christus im Heiligen Geist. Diese Gebetsformel, die alle unsere Gebete abschliesst, können Juden nicht nachvollziehen. Insofern können Juden und Christen im strengen Sinn nicht miteinander beten. Sie fragen nach den Psalmen. Natürlich können wir Psalmen gemeinsam rezitieren. Das ist aber nicht ein gemeinsames Gebet. Wir machen das immer bei den Treffen im Oberrabbinat in Jerusalem, wir lassen die Juden einen Psalm in Hebräisch beten und wir beten den gleichen Psalm in Latein. Das ist aber eher eine Meditation als ein Gebet im strengen Sinne.
Wie haben sich die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum seit dem Israel-Besuch des Papstes weiter entwickelt?
Der Israel-Besuch von Benedikt XVI. hat dem jüdisch-katholischen Gespräch durchaus neue Impulse gegeben. Der israelische Botschafter in Rom hat zum Beispiel gesagt, nun sei ein zweites Mal ein Papst in Israel gewesen und das könnte auch zu einer Tradition werden. Wenn man sieht, dass Benedikt XVI. in den Fussspuren von Johannes Paul II. alle Gesten gesetzt hat, die notwendig waren, dann kann man sagen, dass sich das positiv ausgewirkt hat. Denn seit dem letzten Israel-Besuch glauben die Juden jetzt mehr an die Kontinuität, an die Verlässlichkeit unserer Beziehung.
Welche Felder der Zusammenarbeit gibt es zwischen Juden und Christen?
Grob gesagt ist das die Zusammenarbeit für Gerechtigkeit und Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Wir können aber auch ganz konkret im sozial-karitativen Bereich zusammenarbeiten und haben das auch schon getan. Es gab gemeinsame Projekte von jüdischer und katholischer Seite in Argentinien zur Zeit der Wirtschaftskrise dort. Im Jahr 2004 hatten wir dann eine grosse gemeinsame Tagung. Es gab auch Bemühungen, in Südafrika gemeinsame Projekte gegen Aids zu entwickeln. Wir können auf mehreren Feldern zusammenarbeiten. Ziele des Dialogs zwischen Juden und Christen sind, dass man sich gegenseitig besser kennenlernt, dass man das Gemeinsame herausstellt und dass man sich gemeinsam für den Menschen einsetzen kann, dem Gerechtigkeit und Frieden zuteil werden soll.
Die Juden mit ihren einflussreichen Lobbys und die katholische Weltkirche mit ihrer Diplomatie und Hierarchie – wäre das nicht ein potentes Bündnis, wenn es darum geht, Konflikte und Krisen zu meistern?
Das ist ein interessanter Gedanke, den Sie da formulieren – ich kann ihn nur bejahen. Ein kleines Beispiel: Kardinal Walter Kasper war einmal in Boston in den USA und da hat man ihm gesagt, Juden und Katholiken wären dort die stärksten Minderheitsgruppen und wenn sie zusammenstünden, könnten sie wirklich etwas bewirken. Der Vatikan verfügt über diplomatische Kanäle und das Judentum hat den Staat Israel. Diese politische Basis haben nicht alle Religionsgemeinschaften oder Konfessionen und insofern können wir auch im politischen Sinne manchmal zusammenstehen.
Nun haben die Juden selber einen Konflikt “im eigenen Land”, in Israel, und zwar den mit dem palästinensischen Volk. Spricht man von jüdischer Seite darüber mit Vertretern der katholischen Kirche?
Wir stehen in Israel im Dialog mit dem Oberrabbinat und dieser Konflikt mit dem palästinensischen Volk schwebt dort über allem wie ein Damokles-Schwert. Insofern wird er nicht ausgespart bei unseren Treffen. Man formuliert das oft als Gebetsbitte, nämlich dass man für den Frieden im Heiligen Land beten möchte und Gott den Allmächtigen bittet, dass der Friede durch die Menschen verwirklicht wird.
Weht jetzt nach der Freilassung des israelischen Soldaten und über vierhundert palästinensischen Gefangenen so etwas wie ein leiser Hauch des Friedens durch das Heilige Land?
Ich glaube, die Betonung liegt auf “leise”. Das ist eine politische Frage, die nicht in meine Kompetenz fällt. Aber ich denke, es ist ein Hoffnungsschimmer. Es hat schon viele Hoffnungsschimmer gegeben. Leute, die dort schon Jahre und Jahrzehnte diesen Konflikt überblicken, sind immer sehr skeptisch. Aber man muss den Mut haben, immer wieder neu anzufangen, und vielleicht ist diese Geste des guten Willens eine Möglichkeit, wieder ganz sachte und leise mit den Bemühungen um den Frieden zu beginnen.
Was würden Sie sich für das Treffen von heute wünschen – 25 Jahre nach dem ersten Religionstreffen von Assisi?
Diese drei Treffen in Assisi haben einen unterschiedlichen Charakter. Das erste Treffen 1986 war ein Novum, eine Neuheit. Johannes Paul II. war da der Eisbrecher und das Treffen ist sehr gut aufgenommen worden. 2002 stand dieses Friedenstreffen im Kontext des 11. September 2001 und es ging darum, dass man Religionen nicht missbrauchen soll, um Gewalt anzuwenden oder Terrorakte zu vollführen. Dieses Treffen jetzt hat Jubiläumscharakter. Diese drei Charaktere sind also völlig verschieden. Was ich mir wünschen würde, wäre, dass wir weiter auf einem guten Weg gehen, auf dem Weg der Versöhnung mit den Juden, auf dem des gemeinsamen Gesprächs. Aber das betrifft natürlich auch die anderen Religionen. Das Dokument “Nostrae aetate” des Zweiten Vatikanischen Konzils, das das Verhältnis der katholischen Kirche zu den anderen Religionen ausdrückt, hat als ursprünglichen Kern das Verhältnis zum Judentum und um dieses Verhältnis zum Judentum ist von der Entstehungsgeschichte des Dokuments her das Verhältnis zu den anderen Religionen herumgruppiert worden.
Religion soll Teil der Lösung sein
Nostra-aetate: Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen
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