Das Schwert der Milde
Die Lehre Benedikts XVI. in Berlin und die definitive Demontage eines Klischees
Rom, kath.net/as, 23.09.2011, von Armin Schwibach
Es ist immer wieder dieselbe Musik: im Vorfeld eines Papstbesuches in einem “kritischen Land” (als Beispiel gelte Grossbritannien im Jahr 2010, aber nun gerade auch Deutschland 2011) kommt es regelmässig zur Schaffung einer Parallelwelt, die sich dann mit den “harten Fakten” trifft und im Nachhinein umso lächerlicher wirkt. Man denke an die Vielzahl von Talkshows und Kommentaren in der Presse, seitens so zahlreicher Menschen, die sich dazu berufen fühlten, ihre Weisheit zu allen möglichen Aspekten der Kirche, der katholischen Lehre, der Person Benedikts XVI. kundzugeben. Dazu gesellen sich dann im innerkirchlichen Bereich jene, die in der üblichen organisierten Form mit den üblichen und ewig langweiligen Themen ihre “Kirchenkritik” vorbringen, mit dem immer eindeutiger werdenden Ziel, eine “andere” Idee Kirche voranzutreiben. So ist es nicht zu verwundern, dass ein Mitglied des “Zentralkomitees der deutschen Katholiken” sowie der Präsident des deutschen Bundestages die Gelegenheit nutzte, sein “Programm” vor den Papst zu bringen, in der schalen und unbedachten Hoffnung, dass dieser darauf eingehen würde. Doch der Papst hat anderes zu tun, als sich an der Oberfläche einer Scheinwelt abzuarbeiten, auch wenn es ihm nicht entgangen sein wird, dass derartige Katholiken auch den Moment des Empfangs der heiligen Kommunion zur Demonstration ihres Eigenweges und der Ablehnung von Grundinhalten der Lehre des Papstes nutzen. Denn anders kann die “ertrotzte” “kniende Handkommunion” eines Norbert Lammert nicht verstanden werden, auch wenn die spanische Königin in Barcelona den Präzedenzfall geliefert hatte.
Der Papst ist nicht gekommen, um ein Ärgernis zu sein und Spaltungen zu vertiefen, sondern “um mit den Menschen von Gott zu sprechen”. Benedikt XVI. tut dies mit dem Anspruch eines Intellektuellen und Hirten, der weiss, wie sehr es sich lohnt, dem anderen zuzuhören und keine Gelegenheit zu versäumen, aus seinen Worten zu lernen. Ebenso weiss er um die Fruchtbarkeit einer echten intellektuellen Auseinandersetzung, die notwendig ist, um eine kulturelle Erneuerung der westlichen Zivilisationen zu fördern. Um dies zu erreichen, ist er mit dem “Schwert der Milde” in den Bundestag gekommen und hat vor 70.000 Gläubigen das Wesen des Geheimnisses der Kirche auseinandergesetzt, in einer Weise, die selbst von den Mainstreammedien nicht unbemerkt bleiben konnte.
“Manche bleiben mit ihrem Blick auf die Kirche an ihrer äusseren Gestalt hängen”, mahnte der Papst die Gläubigen im Olympiastadion von Berlin. “Dann erscheint die Kirche nur mehr als eine der vielen Organisationen innerhalb einer demokratischen Gesellschaft, nach deren Massstäben und Gesetzen dann auch die so sperrige Grösse ‚Kirche’ zu beurteilen und zu behandeln ist”. Die Fixiertheit auf das Negative in der Kirche verunmöglicht es dann ganz, das “grosse und tiefe Mysterium der Kirche” erschliessen zu können und die Freude über die Zugehörigkeit zu diesem Weinstock “Kirche” zu erfahren: “Es verbreiten sich Unzufriedenheit und Missvergnügen, wenn man die eigenen oberflächlichen und fehlerhaften Vorstellungen von ‚Kirche’, die eigenen ‚Kirchenträume’ nicht verwirklicht sieht! Da verstummt dann auch das frohe ‚Dank sei dem Herrn, der mich aus Gnad’ in seine Kirch’ berufen hat, das Generationen von Katholiken mit Überzeugung gesungen haben.” Mit anderen Worten: wahre “Reform” gibt es nicht ohne eine Rückbesinnung auf die Wurzeln des Glaubens.
Das “Schwert der Milde”: im Bundestag schlug dieses sowohl in die Herzen als auch die Vernunft der Zuhörer ein. “Wie erkennt man, was recht ist?”, fragte der Papst, der liebend warnte: “Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit”.
Benedikt XVI. lieferte keine Patentrezepte zur Lösung vielfältiger Probleme, er machte keine Politik. Wer sehen wollte, sah den “echten Ratzinger” und nicht jenen von Medien und Vorurteilen verunstalteten und verzerrten Pontifex: einen milden, in weiss gekleideten Mann, der auch zur Selbstironie fähig ist und in der Tat den Dialog auf einer Blickhöhe sucht. Dies setzt allerdings voraus, dass das Gegenüber nicht in einer armseligen Kleinheit verschwindet und sich nur in dieser wohl fühlen kann.
Nach Regensburg und Paris hat nun die Welt der Kultur und Politik mit der “Berliner Enzyklika” eine weitere Gelegenheit, sich mit der Tiefe des philosophischen und theologischen Vorschlags Benedikts XVI. auseinanderzusetzen. Ein Vorschlag, der einer säkularen Welt den Weg aus der Falle zeigen kann, in die sie sich selbst begeben hat. Ein Vorschlag, der der Kirche einen wesentlichen Aspekt ihrer Sendung in der Welt zeigt. Es besteht kein Zweifel: Das “Schwert der Milde“”Benedikts XVI. ist das Excalibur, dessen die Nachmoderne so sehr bedarf.
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