Kompendium der Soziallehre der Kirche
Katholische Soziallehre
Die katholische Soziallehre hat eine lange Tradition in Deutschland
In Deutschland gibt es im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten eine strikte rechtliche und organisatorische Trennung zwischen Kirche und Staat. Sie beruht auf einem verfassungsrechtlichen Grundsatz: In Artikel 140 des Grundgesetzes wird Bezug auf die Weimarer Reichsverfassung genommen, in der die Neutralität des Staates gegenüber Religion und Religionsgemeinschaften verankert ist.
Eine Grundlage für das Verhältnis von Kirche und Staat ist das so genannte Subsidiaritätsprinzip. Das der katholischen Soziallehre entnommene Prinzip bestimmt die Nachrangigkeit der staatlichen Tätigkeit gegenüber der Aktivität des Einzelnen. Der Staat soll demnach nur dann unterstützend eingreifen, wenn durch Selbsthilfe keine Verbesserung der Situation erfolgt. Er ist verpflichtet, die selbstständigen religiösen Kräfte in der Gesellschaft nicht nur zu tolerieren, sondern sie bei ihrer Entfaltung aktiv zu unterstützen. Das Prinzip bildet in Deutschland die Grundlage für eine kooperative Partnerschaft zwischen Kirche und Staat.
Die Entwicklung der katholischen Soziallehre
Das Verhältnis zwischen den Institutionen blickt in Deutschland auf eine lange Tradition zurück. Im Mittelpunkt steht die katholische Soziallehre, die von Geistlichen und Laien gleichermassen geprägt wurde. Eckpunkte der katholischen Soziallehre sind der christliche Solidarismus, mit dem eine eigenständige Gesellschaftsauffassung vertreten wird und der zwischen liberalen und sozialen Überzeugungen angesiedelt ist. Ausserdem eine Kritik am Industriekapitalismus sowie das bereits benannte Subsidiaritätsprinzip.
Kompendium der Soziallehre der Kirche
Im “Kompendium der Soziallehre der Kirche” aus 2004 stellt der Vatikan seine Auffassung der Soziallehre der katholischen Kirche dar. Das rund 560-seitige Werk des Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden bietet eine systematische Übersicht der wichtigsten Aussagen zur Soziallehre und ist an alle diejenigen gerichtet, die sich um das Wohl der Menschen und Gesellschaften bemühen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg beeinflusst die katholische Soziallehre den Aufbau des deutschen Sozialstaates, an dem viele politisch und sozial engagierte Christen beteiligt waren und sind. Die Aktivitäten der katholischen Laien, die keine Geistlichen sind, wurden im 1952 gegründeten Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gebündelt, von dem seitdem eine Vielzahl sozial- und gesellschaftspolitischer Initiativen ausgehen.
Die deutsche Zentrumspartei als Bindeglied
Anhand der deutschen Zentrumspartei wird die politische Wechselwirkung zwischen Kirche und Staat deutlich. Die 1870 gegründete Partei war bis 1933 als Vertreterin des katholischen Deutschlands eine der wichtigsten Parteien des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Ihre Hauptanliegen waren, die Selbstständigkeit der katholischen Kirche im preussisch-protestantisch dominierten Deutschen Reich zu bewahren und die Interessen des katholischen Bevölkerungsteils zu vertreten. Durch die kirchlichen Organisationen, die christlichen Gewerkschaften sowie durch zahlreiche Zeitungen war die Zentrumspartei in allen sozialen Schichten verankert. Über die Partei haben die Katholiken wesentlich auf die Sozialgesetzgebung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik eingewirkt. Die 1927 eingeführte Arbeitslosenversicherung zum Beispiel geht auf den Priester und Zentrumspolitiker Heinrich Brauns zurück.
Bischof von Ketteler
Der Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler (1811-1877) sah die wesentliche Aufgabe der Kirche im Schutz der damals neu entstehenden Arbeiter-Klasse. Er sprach sich für eine Lösung der sozialen Frage im Zusammenhang von Politik und Ethik aus. In diesem Kontext suchte er nach einer sozial-ethisch ausgerichteten Reform der Gesellschaftsordnung, der die wirtschaftliche Ordnung untergeordnet sein sollte. Die Konsequenz daraus war die Einführung der sozialen Marktwirtschaft, welche bis heute die in Deutschland herrschende Wirtschaftsordnung darstellt. Zum Erbe von Kettelers gehört es auch, wichtige soziale Fragen immer in Verbindung mit der Politik sowie ethischen und religiösen Überzeugungen zu entscheiden.
Adolph Kolpings Einfluss auf die Soziallehre
Eine weitere wichtige Bedeutung für die katholische Soziallehre hatte Adolph Kolping (1813-1865). Der Handwerksgeselle und spätere Priester setzte sich für seinen Berufsstand und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein. Der von ihm gegründete Kölner Gesellenverein sollte durch soziale Unterstützung verhindern, dass nichtselbstständige Handwerker in die Armut abrutschten und sich vom Christentum entfremden.
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