Der Diakon sorgt sich im Namen der Kirche um das tägliche Brot der Schwächeren
Homilie bei der Diakonenweihe am Samstag, 14. Mai in Zürich-St. Anton
Brüder und Schwestern im Herrn,
die Geburtstunde des Diakonates liegt begründet im “menschlichen Versagen”: “In diesen Tagen aber, als die Jünger sich mehrten, entstand ein Murren der Hellenisten gegen die Hebräer, weil ihre Witwen bei der täglichen Bedienung übersehen wurden” (Apg 6,1). Menschen, die wegen ihrem Stand ohnehin schon benachteiligt sind, nämlich Witwen, werden übersehen. Menschen, die auf Grund ihrer Sprache und ihrer Kultur in einem hebräischen Umkreis, am Rande stehen, werden übergangen. Dass dies nicht weiter geschieht, setzen die Zwölf, die verantwortlichen Leiter der jungen Kirche, Diakone ein. Sie sollen sich um die Nahrung und Versorgung von Gläubigen kümmern, die zu kurz kommen. Das zeigt uns, dass der Diakon einen Blick und ein Empfinden für Menschen in Not haben muss, für Menschen am Rand.
Der Diakon sorgt sich im Namen der Kirche, als Gesandter der Kirche um das tägliche Brot der Schwächeren, der Schutzlosen. Er legt Zeugnis dafür ab, dass die Kirche sich den Armen und Bedürftigen besonders zuwendet; dass die Kirche, die durch die Zwölf vertreten und in ihnen anwesend ist, ein Auge und ein Herz für die Notleidenden hat. Die Lesung aus dem Brief an die Römer betont ja die Einheit des Leibes Christi, der Kirche: “So sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, als einzelne aber sind wir Glieder, die zueinander gehören” (Röm 12,5). Die Schlussfolgerung ist: Das Wirken des einzelnen in der Kirche, des Katecheten, der Katechetin, des Jugendarbeiters, der Jugendarbeiterin, des pastoralen Mitarbeiters, der pastoralen Mitarbeiterin, des Diakons, des Priesters, des Bischofs, ist Ausdruck des Wirkens der ganzen Kirche. Die Kirche wird im Wirken des einzelnen tätig; die Kirche bekommt im Wirken des einzelnen ihr Gesicht. Weil aber jeder seine Gabe hat, “je nach der uns verliehenen Gnade” (Röm 12,6), sagt Paulus, ist der Beitrag jedes einzelnen wichtig. Was ich tue, hat für die gesamte Gemeinschaft Bedeutung. Das heisst aber auch: Was ich vernachlässige oder verfehle, fällt auf die ganze Gemeinschaft zurück.
Heute kommt, durch diesen Anlass, der Beitrag des Diakons besonders zur Geltung. Wie ich bereits sagte, kommt im Diakonat die Sorge der Kirche für die Benachteiligten zum Ausdruck. Zunächst ist das die Sorge um das Materielle, um das tägliche Brot, um die Nahrung. Doch, wenn wir das Wirken der ersten Diakone in der Darstellung der Apostelgeschichte weiter verfolgen, stellen wir fest, dass bald einmal noch eine andere Sorge dazu kam; eine Sorge, welche die Diakone mit den Zwölfen teilten: Die Sorge um die geistliche Nahrung, die Sorge um das Brot des Himmels. Denn die Diakone legen auch Zeugnis ab für das Wort Gottes und erklären es den Menschen.
Benachteiligung, Schutzlosigkeit, Ausgeliefertsein erfahren wir auch auf der geistigen Ebene. Es muss uns auch heute die Frage beschäftigen: Welches ist das geistige Brot, welches unsere Kinder und Jugendlichen empfangen oder welches die Menschen ganz allgemein vorgesetzt erhalten? Sind viele nicht schutzlos verschiedensten Meinungen und Systemen ausgeliefert, welche den Menschen und seine Würde zerstören? Was wird unseren Kindern und Jugendlichen als Wahrheit vorgelegt und weitergegeben? Sind die Worte, die sie zu hören bekommen “Geist und Leben” (Joh 6,63)? Petrus sagt zu Jesus: “Du hast Worte des ewigen Lebens” (Joh 6,68). Wo bleiben diese Worte des ewigen Lebens bei der Leitung, Führung und Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen. Wo bleiben sie angesichts der vielen Menschen, die wegen Mangel an geistiger Führung, das Lebensziel nicht kennen und das Opfer von gefährlichen und verderblichen Ideologien werden. Ich erinnere beispielsweise an das Vorhaben mit dem Lehrplan 21, an öffentlich aufgezwungenen Sexualunterricht. “In diesen Tagen aber, als die Jünger sich mehrten, entstand ein Murren” (Apg 6,1). Dieses Murren müssten wir auch heute angesichts solcher Pläne und Verordnungen hören und ihm die gebührenden Aufmerksamkeit schenken. Denn es geht hier um mehr als Nahrung, es geht um das geistig-seelische Heil des Menschen. Hier ist die Diakonie der Kirche ebenso gefragt, wenn nicht mehr. An diesen Beispielen erfahren wir, was für eine hohe Bedeutung die Diakonie hat und haben könnte, eben durch das Wort der Verkündigung, durch die Lehre der Kirche, durch die Darlegung des Glaubens, durch die Worte des ewigen Lebens, welche wir von unserem Herrn und Meister empfangen und weitergeben.
Ja, liebe Kandidaten, die Aufgabe eines Diakons ist bedeutend, weil die Not der Menschen bedeutend ist. Dieser Not können wir nur durch die Worte des ewigen Lebens begegnen, welches Ihr durch Euren diakonischen Auftrag verkünden könnt. Mit Petrus sprecht Ihr heute: “Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens” (Joh 6,68). Petrus sagt damit prägnant, warum er, warum die Zwölf, beim Herrn bleiben wollen, auch wenn sich viele Jünger von Jesus zurückziehen und nicht mehr mit ihm umher wandern. Die Worte des Herrn, seine Lehre, seine Unterweisung halten die einen zurück, indes die anderen umso mehr ihm folgen. Die einen entdecken, dass seine Worte Geist und Leben sind, wie es der Herr selber sagt (Joh 6,63), die andern empfinden diese Worte als unerträglich (Joh 6,60).
Liebe Kandidaten, ihr habt euch für den Herrn entschieden. Ihr stellt euch in die Reihe der Zwölf. Ihr wollt jenen Worten dienen, die Geist und Leben sind. Durch das Weihesakrament werdet Ihr für diesen Auftrag mit der Gnade Gottes ausgestattet und für Euer Wirken gestärkt. Lasst euch dabei vom letztgültigen Ziel unseres Wirkens und Handelns leiten. Und welches wäre das?
Ein Beispiel für das diakonische und caritative Wirken der Kirche entdecken wir im Leben der französischen Seligen Madeleine Delbrêl (1904-1964). Sie wirkte in der Vorstadt von Paris, in Ivry, als Sozialarbeiterin. 1953 wurde Madeleine Delbrel bei einer Audienz von Papst Pius XII. angesprochen. Er hat ihr mit Nachdruck das Apostolat nahegelegt. Das Wort Apostolat hatte für den Heiligen Vater eine ganz besondere Bedeutung, welche Madeleine zunächst nicht begriff. Sie berichtet: “Ich war ganz betroffen, dass dieses Wort für mich so fremd war: denn in Frankreich sagen wir schon lange ‘Mission’. Ich versuchte dann, neu zu entdecken, was ‘Apostolat’ bedeuten könnte … Allmählich ging mir auf, dass dem, was ich Mission nannte … das eigentliche Motiv des Apostolats fehlte: es geht um mehr als die Verkündigung der guten Nachricht an die Menschen, um mehr als um ihr Heil – es geht um die Ehre Gottes”. Ich bitte auch Euch, liebe Kandidaten, das letzte Ziel Eures Auftrages, Eurer Mission, Eures Wirkens immer im “Apostolat” zu sehen und auf dieses Ziel hinzuarbeiten: Auf die Ehre Gottes. Amen.
Schreibe einen Kommentar