Priester im Abseits oder Aufbruch?

“Zahlen im Sinkflug”/Was wurde in den letzten 5 Jahren dagegen unternommen?

Quelle
Vatikan: Die Christgläubigen – Hirarchie, Laien, Ordensleute
Dekret Christus Dominus: Über die Hirtenaufgabe der Bischöfe
Lumen gentium: Dogmatische Konstitution über die Kirche
Vatikan: Campo Sancto Teutonico – Priesterseminar
Vatikan: Kongregation für den Klerus – Direktorium für Dienst und Leben der Priester

Prognose rechnet mit einem drastischen Rückgang der Priesterzahlen in der Schweiz

Luzern, 25.9.11 (Kipa) Die Statistik der Priesterzahlen zeigt lauter fallende Kurven; doch Gegensteuer wäre möglich, Nachdenken zumindest erforderlich: Dies das Ergebnis der Tagung «Zukunft der Priester – Priester der Zukunft», die am Samstag, 24. September, im Priesterseminar Luzern stattfand. Ausgangspunkt war das Buch «Diözesanpriester in der Schweiz». Es wurde an der von gut achtzig Personen besuchten Tagung erstmals vorgestellt.

Dass es immer weniger Priester gibt, ist zwar bekannt. Doch genaue Zahlen waren bisher kaum greifbar. Nun liegen sie vor, sowohl zur Situation in der Schweiz als ganzer, wie auch zu den einzelnen Diözesen. Veröffentlicht sind sie im Buch «Diözesanpriester in der Schweiz», das von Arnd /Was wurde dagegen unternommen?Zahlen erhoben und die Statistik erstellt.

Zahlen im Sinkflug

Zahlen im Sinkflug: dies der erste Eindruck, den die Tabellen vermitteln. Seit 1970 hat sich die Zahl der Schweizer Diözesanpriester halbiert. Am stärksten war der Rückgang in den Diözesen St. Gallen, Basel, Sitten und Lausanne-Genf-Freiburg (LGF), in denen der Einbruch zwischen 56,2 und 42,8 Prozent beträgt; weniger stark in Chur (minus 39,9 Prozent) und noch geringer in Lugano (minus 26,7 Prozent). Im Jahre 2009 wurden insgesamt noch 1.441 Diözesanpriester gezählt.

Anders die Zahlen der Diakone und Pastoralassistenten und Pastoralassistentinnen. Sie haben im Zeitraum von 26 Jahren massiv zugelegt. Heue gibt es landesweit in der Pfarreiseelsorge 160 Diakone und 535 Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten. Das heisst, dass der Priestermangel in der Pastoral mindestens zum Teil aufgefangen werden konnte. Die Pastoralassistenten sind allerdings unterschiedlich verteilt, was zeigt, wie unterschiedlich die Bistümer auf die schwindenden Preisterzahlen reagieren: In den Deutschschweizer Diözesen sind Diakone und Pastoralassistenten stark vertreten, machen fast 48 Prozent der Pfarreiseelsorgenden aus. Weniger gross ist ihre Zahl in der Westschweiz, namentlich aus Mangel an finanziellen Mitteln, wobei bezahlte Mitarbeiter (»Animateurs») helfen, den Seelsorgermangel abzufedern.

Nur ganz wenige Diakone und gar keine Laien gibt es im Bistum Lugano. Der Grund liegt laut der Studie darin, dass neben dem diözesanen Priesterseminar ein weiteres besteht, das vom Neokatechumenalen Weg betrieben wird. Auch dessen Priester wirken zumindest eine Zeit lang in der Diözese.

An der Tagung in Luzern ergänzte Roger Husistein diese Befunde mit weiteren Daten. So zeigt sich, dass das Durchschnittsalter der Diözesanpriester bei 65 Jahren liegt und manche bis ins hohe Alter noch im Seelsorgedienst stehen.

Ausgehend vom bisherigen Trend rechnet die Prognose mit einem weiteren Absinken der Priesterzahl in den nächsten 20 Jahren. Landesweit geht sie um rund 37 Prozent zurück, am stärksten in den Bistümern Basel und St. Gallen.

Weit besser als in andern Erdteilen

Etwas weniger dramatisch wirken diese Zahlen, wenn man sie in Beziehung zur ebenfalls sinkenden Zahl der Gottesdienstbesucher setzt. Dann zeigt sich nämlich, dass heute ein Priester weniger Taufen spenden und Trauungen halten muss, als dies noch vor zwanzig Jahren der Fall war.

Und noch ein Befund fällt auf. Trotz sinkender Zahlen gibt es in Europa noch weit mehr Priester als in den andern Weltteilen. In der Schweiz kommt ein Priester auf rund 2.000 Katholiken. In Afrika betreut ein Priester 7.000 Katholikinnen und Katholiken, in Lateinamerika über 10.000. Es gibt, so ein Ergebnis der Studie, also keinen Anlass, dieses vergleichweise spärliche Reservoir für Europa abzuschöpfen.

Wie reagieren?

Bei der Präsentation von Zahlen wollten es die Herausgeber des Buches aber nicht bewenden lassen. Auf fast zweihundert Seiten wird der Befund von verschiedenen Autorinnen und Autoren gedeutet. An der Tagung ergänzt durch das Referat von Rainer Bucher, Professor für Pastoraltheologie in Graz.

In einer ersten Runde wird die Situation in den einzelnen Diözesen vorgestellt. In den Bistümern Basel, St. Gallen und LGF wird die Entwicklung zu Pastoralräumen, Seelsorgeeinheiten oder Seelsorgeteams hin dargestellt. Eine Situation, die starke Einflüsse auf die Aufgabe und Wahrnehmung des Priesters hat.

Besorgt tönt der Progeneralvikar des Bistums Lugano, Sandro Vitalini, dem das sich breit machende Priesterseminar des Neokatechumenalen Wegs nicht ganz geheuer scheint.

Nochmals anders die Wahrnehmung von Generalvikar Martin Grichting, der sich für das Bistum Chur vor allem eine Erneuerung der Strukturen wünscht: für die kleiner gewordene Herde würde die Anzahl der vorhandenen Hirten durchaus reichen.

Besorgnis

Bei den meisten Autoren überwiegt jedoch die Besorgnis. Namentlich auch bei Erwin Koller Vizepräsident der Herbert-Haag-Stiftung, die die Anregung zur Untersuchung, zum Buch und zur Tagung gegeben hat. Er und weitere Autorinnen und Autoren bringen den Priestermangel in einen Zusammenhang mit der weltkirchlichen Situation, einen Bericht des gfs-Forschungsinstituts zitierend: «Die katholische Kirche ist daran, sich von ihrer Kerngemeinde immer mehr zu entfremden. Die Hierarchie lenkt die Geschicke der Kirche an ihren Gläubigen vorbei und riskiert, dass sie nicht nur in der Breite, also zahlenmässig, sondern auch in der Tiefe und damit an Glaubwürdigkeit verliert.»

Weltjugendtage, Papstbesuche, Events blenden über die Wirklichkeit an der Basis hinweg, wo das Leben der Gemeinden mehr und mehr zu Gunsten grosser Einheiten aufgelöst wird.

Für die Rektorin der Theologischen Hochschule Chur, Eva-Maria Faber, gibt aber auch die Theologie des Priestertums zu denken, die nicht zu den Meisterleistungen des Zweiten Vatikanischen Konzils gehört. So wird dort das Priestertum ganz vom Bischof her definiert und weniger vom Volk Gottes her verstanden.

Die Luzerner Pastoraltheologin Stephanie Klein wünscht sich eine breitere Auffächerung des Priestertums und verweist auf die tragende Rolle der Gemeinde, diese sollte nach Kandidatinnen und Kandidaten in ihrer Reihe Ausschau halten und zur Weihe vorschlagen können.

“Theologisches Unrecht”

An der Tagung fügte der Luzerner Bibelwissenschafter Walter Kirchschläger hinzu: Die Änderung der Zulassungsbedingungen zum Priestertum sei nicht einfach eine Notmassnahme. Die Weigerung, Frauen und verheiratete Männer zu Priestern zu weihen, sei in sich schon ein theologisches Unrecht, das es zu bereinigen gelte.

Unter den Gläubigen gebe es heute viele Berufungen. Da wäre, so Arnd Bünker in seinem Schlusswort, ein «Frevel, die vielen Berufungen in unserer Zeit nicht als Geschenk freudig anzunehmen.»

Separat:

Priesterdebatte mit «Arena»-Stimmung

Die Voten auf dem Podium zur Zukunft der Priester fliegen an der Luzerner Tagung hin und her. Martin Grichting spricht von der Golddeckung des Zölibats, die er nicht durch inflationäre Priesterweihen gefährden will; Erwin Koller findet solche Sätze eine Beleidigung. Bei solchem Schlagabtausch muss Werner De Schepper als Moderator das Gespräch nicht gross ankurbeln. Und bald schon gibt es ersten Szenenapplaus. Für den Basler Bischof Felix Gmür nämlich, dem Grichtings prononcierte Betonung des abgehobenen, zölibatären Weihepriestertums aufstösst: «Wenn wir im Himmel doch alle gleich sind; warum soll es denn auf Erden solche Unterschiede geben?»

Das sind nicht die einzigen Gegensätze. Unterschiedlich wird auch die Tatsache interpretiert, dass immer weniger Eucharistiefeiern angeboten werden können. Felix Gmür will angesichts dieser Situation die starke eucharistische Fixierung der Pastoral etwas lockern und das Wort Gottes in den Mittelpunkt stellen. Da stimmt auch De Schepper als Aktiv-Laie zu: die Leute hätten sich selbst auf dem Land daran gewöhnt, dass Eucharistiefeiern spärlich geworden sind. Grichting meint, man sollte die Feiern ohnehin auf zentrale Orte konzentrieren. Auch das gibt wieder Applaus. Für den Einwurf De Scheppers nämlich, der Grichting so interpretiert: den Zölibat behalten, dafür Auto fahren.

Trotz solcher Stimmung wie in der «Arena» des Schweizer Fernsehens gibt es auf dem Podium auch leisere Töne. Der Luzerner Regens Thomas Ruckstuhl spricht von den Schwierigkeiten der Seminaristen, ihre Identität zu finden, äusserlich sichtbar an der Wahl zwischen Jeans und Priesterkragen. Eva-Maria Faber vermisst, dass man in der Kirche zu wenig aufeinander hört und zu wenig darauf vertraut, dass der Heilige Geist etwas mitteilen will. Auch das bringt Applaus. Genau so wie das Schlussresumee von Schwester Ingrid Grave. Sie träumt von einer Kirche, die sich aus der biblischen Botschaft nährt, ihre Spiritualität entwickelt und daraus handelt. Kurz; eine Kirche und ein Priestertum der Fusswaschung.

kipa/J.O./Job

Eine Antwort auf Priester im Abseits oder Aufbruch?

  • Marquard Imfeld:

    Es sieht so aus: Die theologischen Hochschulen in Luzern und Chur sind nicht mehr attraktiv für Priesterkandidaten. Deren rückwärtsgewandte, überholte und den Glauben zerstörende Theologie von Hans Küng / Karl Rahner / Walter Kirchschläger / Eva-Maria Faber wirkt nur noch abstossend und weltfremd.
    Dazu kommt noch etwas Erschwerendes: Für welchen jungen Priester ist es ein Berufsziel, als geweihte Person einmal von einer Laien-Frau, welche Theologie studiert hat, als Chefin geführt und in der Leistung beurteilt zu werden? Zudem möchte die Laientheologin auch einmal in einer Messe predigen und der Priester darf ihrer Homilie dann zuhören. Bevorzugt an Ostern (so wie es in Basel der Fall ist).
    Junge, aufgeschlossene Priesterkandidaten bevorzugen theologische Hochschulen wie zum Beispiel diejenige in Heiligenkreuz oder Wigratzbad. Dort herrscht kein Priesternachwuchsmangel.
    Zunehmend verlieren die Hochschulen in Luzern und Chur auch die Interessenten für die Ausbildung zum Theologen / zur Theologin. Wer will eigentlich noch an Hochschulen studieren, welche ihren eigenen Glauben zerstören und protestantisieren, und welche in der Öffentlichkeit die katholische Weltkirche kritisieren?
    Es ist interessant zu beobachten, wie sich die rückwärtsgewandten 68-er Theologieprofessoren und gewisse Landeskirchenvertreter, wie auch die “Es reicht!”- Glaubenszerstörer, offenbar auf beiden Augen blind sind: Sich immer nur auf ihre im Glauben deklassierten Fakultäten fokussieren, und nicht wahrnehmen, welche Ausbildung zum Priester heute erfolgreich ist!

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