Manchmal ist es gut, einen Vorgang aus der Distanz zu betrachten

“Der Zustand sterbender Ortskirchen sollte nicht exportiert werden”

Quelle
Die afrikanische Stunde

Publiziert am 8. April 2015 von dominik

Manchmal ist es gut, einen Vorgang aus der Distanz zu betrachten, weil man sonst vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht, d.h., weil das eigentliche Problem aus den Details nicht mehr klar hervortritt. Das trifft auch zu, wenn man den Zustand der Deutschen Ortskirche betrachtet.

George Weigel, ein amerikanischer Theologe, der in Deutschland auch als Biograf von Papst Johannes Paul II. bekannt ist, hat diesen distanzierten Blick.

In seinen Überlegungen über den Ablauf der ersten Sitzungsperiode der Bischöfe der Weltkirche zum Thema “Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung” spricht Weigel über den Versuch des Synodensekretärs Kardinal Baldisseri sowie der deutschen Bischöfe, dem Synodenverlauf die gewünschte pastorale Richtung zu geben, mindestens aber den Debattenverlauf nach aussen in diesem Sinn darzustellen. George Weigel beurteilt in seinem Artikel “Die afrikanische Stunde”, abgedruckt im “Vatikan Magazin” 2/2015, auch den religiös geistlichen Zustand der deutschen Ortskirche. Er kommt dabei zu folgendem Urteil: “Die deutsche Fixierung auf diesen Punkt war in gewisser Hinsicht ein Ausdruck der Beschäftigung mit sich selbst und den pastoralen Problemen einer erstarrten deutschen Kirche, die unbestreitbar schwerwiegend sind”. George Weigel: “Zehn Monate, bevor die Synode zusammenkam habe ich einen gut unterrichteten Beobachter der katholischen Verhältnisse in Deutschland gefragt, warum die Spitzen der katholischen Kirche in Deutschland darauf beharrten, die Frage der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene wieder aufzugreifen, wo doch der Grossteil der Weltkirche meine, sie sei bei der Synode über die Familie im Jahr 1980 ausreichend erörtert worden und scheine durch die erneute Bekräftigung der traditionellen kirchlichen Lehre und Praxis im apostolischen Schreiben ‘Familiaris consortio’ des heiligen Johannes Paul II. im Januar 1981 sowie den Kirchenrechtskodex im Jahr 1983 erledigt. Die Antwort bestand aus einem Wort: ‘Geld'”

Erläuternd fügt George Weigel seinen Überlegungen an: “Viele deutsche Bischöfe scheinen zu dem Schluss gekommen zu sein, dass der Abfall vom Bezahlen der Kirchensteuer am besten dadurch erklärt werden kann, dass die katholische Kirche als geiziger, engherziger und grausamer Vertreter von Normen wie etwa der Unauflöslichkeit der Ehe wahrgenommen wird, die für keinen Europäer des 21. Jahrhunderts, der etwas auf sich hält, akzeptabel sei. Dass die Leute aufhören Kirchensteuer zu zahlen, weil sie nicht mehr glauben, dass Jesus der Herr und die katholische Kirche sein Leib ist, wäre eine einfachere Erklärung. Doch dann müsste man zugeben, dass der Rückgang des katholischen Glaubens und der katholischen Praxis in Deutschland etwas mit dem kolossalen Scheitern der deutschen Theologen und Katecheten zu tun hat, das Evangelium unter den sich verändernden Bedingungen der späten Moderne und Postmoderne effektiv zu vermitteln”.

Hat Weigel Recht? Die Entwicklung des Kirchenbesuchs, repräsentative Umfragen darüber, was die deutschen Katholiken noch glauben, und die fehlenden Anstrengungen zu einer Neuevangelisierung bestätigen das Urteil von George Weigel und sie machen verständlich, dass die Bischöfe der dynamisch wachsenden afrikanischen Ortskirchen auf der Bischofssynode in Rom dagegen waren, dass “Bischöfe, die sterbende Ortskirchen repräsentieren, die westliche Dekadenz nicht in den Südteil der Welt exportieren sollten, wo der Katholizismus exponentiell gewachsen sei, in dem die Wahrheiten des Evangeliums mitfühlend, aber auch kompromisslos verkündigt werden”.

Der Zustand der deutschen Ortskirche ist den Verantwortlichen bekannt. Es sieht derzeit nicht so aus, als würden energische Reformschritte dagegen eingeleitet werden. Dabei geht es nicht mehr um ein herumkurieren an Symptomen. Der Kurs insgesamt müsste auf den Prüfstand gestellt werden. Greifen wir exemplarisch einen Bereich heraus, nämlich den Religionsunterricht. Es genügt nicht mehr, das eine oder andere zugelassene Lehrbuch aus dem Verkehr zu ziehen, oder einem Katecheten die Lehrerlaubnis zu entziehen. Die Misere eines völlig ineffektiven Religionsunterrichts begann damit, als man vom bewährten Katechismus-Prinzip abging. Seitdem kennen diejenigen, die durch neun Jahre Pflichtbesuch des Religionsunterrichtes gegangen sind, die Fundamente des katholischen Glaubens nicht mehr: Das Credo, die zehn Gebote und die sieben Sakramente. Es fehlt ihnen aber nicht nur das religiöse Wissen, sondern meist auch die Identifikation mit der eigenen Kirche.

Hubert Gindert

Dieser Beitrag erscheint auch in der katholischen Monatszeitschrift “Der Fels” im Aprilheft. Probehefte dieser Zeitschrift können angefordert werden unter der Telefonnummer 08191-966744 oder per E-mail: Hubert.Gindert@der-fels.de

Eine Antwort auf Manchmal ist es gut, einen Vorgang aus der Distanz zu betrachten

  • Marquard Imfeld:

    Zitat: “Doch dann müsste man zugeben, dass der Rückgang des katholischen Glaubens und der katholischen Praxis in Deutschland etwas mit dem kolossalen Scheitern der deutschen Theologen und Katecheten zu tun hat, das Evangelium unter den sich verändernden Bedingungen der späten Moderne und Postmoderne effektiv zu vermitteln”.

    Bemerkung dazu: Auch in der Deutschschweiz beschäftigen sich die gut bezahlten und vom Bischof nicht kontrollierten Laientheologen z.B. vom Dekanat Luzern, oder der Landeskirchen BS und v.a. BL an ihren Synodenversammlungen auch heute noch hauptsächlich um ihre Selbstverwirklichung (z.B. Laienpredigt, Frauenpriestertum, Zölibat muss weg), d.h. um Hans Küng-Theologie, und NICHT um pastorale Fragen, wie der Glauben der katholischen Kirche effektiv vermittelt werden sollte. Den katholischen Glauben zu vermitteln ist halt anspruchsvoll und zu anstrengend. Im Büro und an Meetings Zeit zu vertrödeln ist einfacher. Loyalität dem Papst und der Weltkirche gegenüber? Das ist ein Fremdwort. Schliesslich ist man gut besoldet und niemand kontrolliert und korrigiert die Fehlleistungen der Laientheologen.

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