Die Spirale der Gewalt

Die rationale Politik

Guido Horst Die Tagespost, 6. September 2013 von Guido Horst

Eines der gefährlichsten Argumente gegen die bedingungslose Friedenspolitik des Vatikans lautet mehr oder weniger so: Der Papst sei schliesslich der Papst und müsse quasi von Amts wegen gegen Krieg und Gewalt eintreten, der Heilige Vater könne ja nicht zu den Waffen rufen. Und fromm für den Frieden zu beten, schade niemandem.

Anders die rationale Politik. Die denke pragmatisch und zwinge dazu, hin und wieder zuzuschlagen, um Schurken und Diktatoren zu bestrafen oder zur Strecke zu bringen. Wer so denkt, verkleistert die Vernünftigkeit der päpstlichen Argumentation, Gewaltspiralen nicht weiter nach oben zu drehen, sondern auf geduldigen Dialog und Diplomatie zu setzen.

“Nie wieder Krieg“ lautete der Appell von Franziskus zu den Konflikten im Mittleren Osten. “Nie wieder Krieg” rief Johannes Paul II. am 16. März 2003 beim Gebet des Angelus. Vier Tage später brach der Krieg George W. Bushs gegen Saddam Hussein los.

Die Folge: Wegen dieses Kriegs ist die Präsenz der Christen im Irak, die in diesem Land der Bibel fast zweitausend Jahre lang immer eine Heimat hatten, vielerorts so gut wie ausgelöscht. Jetzt droht den Christen in Syrien der Untergang. Der Friedensaufruf von Papst Franziskus ist mehr als vernünftig. Er ist bitter nötig. Die heutige Gebetswache auf dem Petersplatz in Rom ist ein gottesdienstlicher Akt und mit einer Dauer von vier Stunden die längste von einem Papst geleitete Liturgie seit Menschengedenken. Aber auch die Diplomatie des Vatikans hat alle Register gezogen. Das Treffen, das Papst Franziskus vor einer Woche mit den Spitzenvertretern des Staatssekretariats und dem Präfekten der Ostkirchenkongregation einberufen hat, hatte eine konzertierte Aktion zur Folge: Dazu gehört der Brief von Franziskus an den russischen Präsidenten Wladimir Putin wie auch das Briefing, mit dem der vatikanische “Aussenminister” Dominique Mamberti die ausländischen Vatikan-Botschafter über die Gründe der Friedensinitiative des Papstes aufgeklärt hat.

“Mit einem Krieg ist nichts gewonnen, aber mit einem Krieg kann alles verloren sein”, hatte Pius XII. hellsichtig vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gewarnt. Das ist heute noch das Motiv der Päpste – und die Geschichte hat ihnen Recht gegeben. Bomben auf Syrien zu werfen, wo sich gleich mehrere politische und religiöse Konflikte ballen, hiesse Öl ins Feuer zu giessen. Und die Konsequenzen hätten – wie so oft in der islamisch geprägten Welt – die Christen zu tragen. Nicht nur. Aber vor allem sie. Unbedingt muss sich die Spirale der Gewalt jetzt wieder nach unten drehen. Sonst gerät alles ausser Kontrolle

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